Retention ist das neue Recruiting

HR-Verantwortliche tun daher alles dran, Menschen in Unternehmen zu halten und ihnen unzählige zusätzliche Leistungen für mehr Wohlbefinden zukommen zu lassen. Retention ist das neue Recruiting ist daher vielfach in Fachzeitschriften zu lesen. Wir reden schließlich vom Fachkräftemangel. Dabei gilt es auch an anderen Stellschrauben zu drehen.

 

Dazu vorab eine kleine Geschichte: Als ich Assistent an der Universität tätig war, schrieb ich einen Artikel zum Thema Demografie und Personalmangel in den kommenden Jahren. Bei der Recherche fand ich ein Buch aus den 1980iger Jahren, im dem zum Thema Facharbeitermangel in Österreich eine Prognoserechnung enthalten war, in der davon ausgegangen wurde, dass ab 2010 Facharbeiter fehlen werden. Zum einen dienten dafür Geburtenjahrprognosen und die stetige Steigerung der Qualifikation für diese Aussage. Diese Prognose ist nun fast 40 Jahre alt. Darin enthalten sind Zahlen. Viele Zahlen und Diagramme. Und genau dort steckt schon der erste Fehler im System.

 

Zahlen widerspiegeln keine Menschen.

Es sind Zahlen. Der Mensch hingegen, als kleine Nummer in Balken- und Kreisdiagrammen, ist hingegen nicht immer „messbar“. Und fehlt heute dennoch in Unternehmen mehr denn je. Dabei sind es keine Prognosen, die zum Facharbeitermangel geführt haben. Vielmehr sind es interne Komponenten, die zu mehr Wohlbefinden und damit mehr Mitarbeiter im Unternehmen führen.

 

Unternehmenskultur an der Wand und nicht im Herzen

Viele Unternehmensleitbilder exzitieren, weil Unternehmen beispielsweise zertifiziert sind und ein Leitbild dort als Voraussetzung angeführt sein muss. Eine Unternehmenskultur sollte jedoch nicht so entstehen und verfasst werden. Oftmals kommt es mir allerdings so vor, als ob Außendarstellung und interne Kommunikation nicht Hand in Hand gehen und Unternehmenskulturen an Wänden hängen, um ab und zu abgestaubt zu werden. Hinzu kommen die Führungskultur innerhalb des Unternehmens und der Unternehmenszweck mitsamt seiner gelebten Prinzipien. Warum gibt es eigentlich das Unternehmen? Und weiß dies auch jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin? Was warum produziert wird? Für wen gearbeitet wird? Welche Probleme damit gelöst werden? Unternehmenskultur schon im Herzen?

 

Das 20. Jahrhundert lässt grüßen

Mehr Wohlbefinden – für Bewerber:innen und Kunden:innen – zu finden hängt stark mit der internen Kommunikation zusammen. Was bringt ein schönes Außenbild, wenn Bewerbende keine Antwort auf ihre Bewerbung erhalten? Dabei stecken Mühe und Arbeit dahinter, die keine Anerkennung findet. Es gibt heute viele Softwarelösungen, die hierzu erste Möglichkeiten bieten, rasch per Mail eine automatische Antwort zu erstellen. Von einer einfachen Übermittlung von Bewerbungsunterlagen ganz zu Schweigen.

Hinzu kommen Onboardingprozesse und andere Verwaltungsaufgaben, die sich seit Jahren nicht verändert haben und einer zeitgemäßen Überarbeitung in vielen Unternehmen zugeführt werden sollten. Ideen zur Veränderung haben viele, Mut zur Veränderung hingegen wenige. Schuld daran ist vermeintlich nicht selten die interne Kommunikation samt interner Seilschaften und hierarchischen Hürden. Kommunikation und Wohlbefinden hängen stark zusammen. Wer will schließlich nicht gehört werden?

 

Einzigartigkeit – Quo Vadis?

Warum sollte ich mich in ihrem Unternehmen bewerben? Schweigen. Wegen dem guten Gehalt und Gratis-Kaffee? Der Entwicklungsmöglichkeiten? Stimmen diese überhaupt? Wir sind eine Familie. Eine Familie habe ich zu Hause, aber nicht bei der Arbeit! Wir suchen dich! Wirklich?

Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, um sich als Arbeitgeber vom Mitbewerb zu unterscheiden, wenn es eine Einzigartig gibt. Was macht ihre Arbeitgebermarke aus? Eine kleine Anregung zur Sichtbarmachung. Eine Arbeitgebermarke sollte intern zu Wohlbefinden im Sinne von Anerkennung und Wertschätzung führen. Dieses finden sie möglicherweise in den Gesichtern ihrer Kollegen und Kolleginnen am Montag morgen. Im Lächeln. Teamspirit. Im Zuhören. Auch wenn der Chef mal lächelt und lobt versteht sich! Oder sind alle im gelobten Homeoffice?

 

Weg von der Perfektion des Lebenslaufes

Ein Lebenslauf ist ein Lebenslauf. Berufliche Stationen, Ausbildungen und vielleicht noch zusätzliche Angaben chronologisch aufgeschlüsselt. Diese sagen allerdings nichts darüber aus, was einen Menschen wirklich ausmacht. Wir sind schon lange im 21. Jahrhundert angekommen und viele Unternehmen arbeiten Bewerbende aufgrund von vergangenen Lebensstationen ab. Absagen, Evidenz, Einladung zum Vorstellungsgespräch.

20 Jahre Erfahrung sagen nichts darüber aus, ob auch 20 Jahre alles richtig gemacht wurde.

Sicherlich sind Basiswissen und einschlägige Erfahrungen meist von Nöten. Weg vom klassischen Lebenslauf-Scan und hin zu Kompetenzen wäre allerdings ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Niemand ist perfekt. Wirklich wichtig sind der innere Antrieb, Lernbereitschaft und der Wille für das Unternehmen und nicht nur für seinen Lohn zu arbeiten. Diesen Willen nach Vertragsunterschrift eines Dienstvertrages aufrecht zu erhalten die Königsdisziplin.

 

Unternehmen sind mehr als ein Arbeitsumfeld

Unternehmen müssen sich heute selbst um Mitarbeitende bemühen. Mehr noch. Sie müssen sich bewerben und nicht umgekehrt! Viele Unternehmen handeln jedoch noch so, wie wenn eine Stellenausschreibung schon genügend würde. Jobmessen sind daneben heiß begehrt, um Nachwuchs zu finden. Mitarbeitende werden als Markenbotschafter:innen gefunden. Die Zielgruppe dabei ist meist jung, Generation Y. Meine Firma, meine Marke, mein Arbeitgeber. Ein Weg, den nunmehr viele Firmen einschlagen. Wie authentisch dieser Weg allerdings der Realität standhält, ist fraglich. Könnte ich deinem Unternehmen einmal einem derartigen Realitätscheck unterziehen? Wohlbefinden nach Außen durch scheinbare Authentizität zu zeigen und vielleicht weniger gestellte Fotos und Influencer für ein schönes Image zu verwenden, wären dagegen ein Anfang.

 

Ein kurzes Fazit

Gehen wir weg von Zahlenspielen und Messbarkeit und kümmern wir uns wieder um den Kern der Sache. Den Menschen mit seinen Bedürfnissen. Anerkennung, Selbstverantwortung und Lob. Wirklich gelebter Wertschätzung! Weil eine gelebte Arbeitgebermarke zu Wohlbefinden und damit zu mehr Mitarbeitenden führt. Wohlbefinden führt dazu, dass Mitarbeiter:innen am Abend in der Bar positiv über das Unternehmen sprechen. Damit werden sie zu Markenbotschafter:innen und ziehen damit neue Mitarbeitende an. Manchmal, am Abend an einer Bar im Hotel oder bei einem Kongress, höre ich allerdings ganz andere Geschichten, die so gar nicht dem teuer erkauften Image entsprechen. Was erzählst du mir?

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